Tiln Rom sitzt nun vor mir, im Zugabteil: ein gewissenloses, fantastisches, fantasieloses Geschöpf mit weißem weichem Baumwollhut, verschlafen wirkenden Augen, karierten Sandalen und einer inständig in bebender Anspannung vibrierenden Oberlippe. Im Halbschlaf verdreht er die Augen nach oben, unter die Augenlider; man sieht so, wie sich sein Auge dreht, und muss auf das glänzende Weiß seines Augapfels blicken.
Überhaupt ist er sehr drollig. Den Mund hält er zusammengezogen zu einer Schnute beim aufrechten Schlaf im Sitz, und ab und an bewegen sich die Muskeln unter seiner Haut. Er wirkt sehr korrekt, doch ist er auffällig geschmacklos gekleidet. Und sein kleiner Hut rutscht ihm in die Stirn: Vielleicht ist er Direktor der prominenten Schule irgendeines verschmorten Nachbarortes.
Tiln Rom, mit dem Hühnerauge am linken Ohr, bewegt die Augen. Er beobachtet mich beim Schreiben.
Er hebt seinen Hut, sagt: »Nu passense mal uff!«, stupst mit dem Zeigefinger der linken Hand meine Nasenspitze und tauscht seine Persönlichkeit mit meiner aus. Einmal schnell mit seinem Zauberfinger geschnippt, da lag sie auf seiner linken Handfläche, rund und klein. Er öffnet das Fenster und bläst sie in den Fahrtenwind.
Juni 1983
Samstag, den 17. Juni || @ Bernhard Karlstetter