Herzweh-Trostnagel → Honig u. Mein Lebenswerk

Zurück zum Buch

(Zwei Gedichte in einem)

O
boyoboyoboyoboyoboyoboyoboyoboy
welch ein, welch ein Verhau blieb übrig nach dem geschlechtslosen Kopfweh mit mir,
der Magen hat sich mir in Krampfadern umgedreht.
Ich rede,
Vögel reden,
Rinderbrüllen redet.
Boyoboyo oboyoboy! Ich steh am Rand des Farbwerks mit
goldenem Hut,
willenlos schauschau schau ich mich um unter 100 Gläsern
ein honigfarbenes Strip- und Teasegefühl
bleibt hängen schau ich über Maisfelder und
Papiertaschentücher entflammend im Herbsttod,
so geh ich unter mit Hut.

Meine nach Maßgabe angemessene Meinung über uns, die wir am Tische
versammelt sind, Rita, Paryla, Cordelia und ich,
oboyoboyoboy oboy, was
was für ein, was für ein verblasener Tag.
Das Brüllen des Sturmes, das erinnert mich, kommt als Glanzabzug über meine hypnotisierten Augen
mit Transparenten, offensichtlich, und Krawallen.
Hans tüftelt an einem Violakonzert, redet ohne Drohung von den neun
Ordnungen über die die Engel verfügen,
die in harmonischen Kreisbewegungen in seinem Konzert um-
und umkehren.
Wir machen dazu gemeinsam arhythmisches Teelöffelklopfen,
bleiben hocken im Firlefanzplunder unseres Lokals.
Paryla fasst Cordelia über kurz oder lang ins Herz:
»Cordelia, nach dem Skwosch rührte mich die Erkenntnis:
»ohne Askesecoupon, ohne Strohsack in Jute gedresst,
»unglaublich wie das kleidet!

Und jetzt weiß ich,
ich bin in Rom gewesen,
habe Ärger mit tropfendem Alleskleber. Hört denn das nie auf?
Ich habe das Bewusstsein fehlerhafter Gemeinnützigkeit, das macht mich ganz – – –
ich aber habe die Kraft melancholischer Wut wie ein brennender
Kirchturm.
Habe die heilige Taufe bewogen, den verborgenen Weg des Leidens,
den verbogenen Sinn des Leidens, Verzeihung.
Ich bin ein großer Verehrer von Dondschonsn neulich geworden.
Was aber sage ich zum Winter? Im Grunde
friert mich immer. Der Winter ist dumm,
anonym-bewusst gar nicht erfassbar.
Habe aber keinerlei Vorliebe für besserwisserische Menschen,
die den sogenannten Ausblutungsprozess der Saturiertheit unseres
vermaledeiten, ja! Sattseins, das muss einmal gesagt sein, ja,
nur noch weiter kujonieren.
»Der Winter unserer Seelen,
sagt Hans mit übergroßer Deutlichkeit,
sagt Hans mit überdeutlicher Großartigkeit, Verz-
eihung.
»Die schönen Bilder mit rostbraunen Tannennadeln vor der Kapelle,
»die flimmernden Farben und die herrlichen, geduldig inszenierten Tieraufnahmen von Galapagos –
»jammerschade, dass sie dieses Paradies jetzt zerstören,
»aber so ist das, leider,
»es geht seinen Weg, es geht weg unabänderlich, es verschwindet,
»was
»kann man machen. Leider.
Die Freiheit der Kunst interessiert Paryla nicht mehr.
Er will lieber eine Geschichte lesen, eine wirkliche.
Er spricht mit Tiln Rom inwendig, der gerade aus Paphlagonien kommt.
Oboy oboy oboy o oboy, das
macht stumm, wenn man das jetzt weiß, oboy,
wenn ich, wenn ich, der ich auch, wenn ich, sage ich jetzt mal, der ich auch ein
hiergelassenes verlassenes Ich vertrete, wieder mal
einen Brief bekäme: Das wäre ein Wort – wert.
Ich würde aufstehen und dem Schmeichler offen sagen:
DU FINDEST DEN MUT
heutzutage
zu durchbrechen,
DU leihst mir Worte, die heute so schnell,
nun gut, Mann, gut!

In Ekstase gerührt von drei Worten:
Schwarz – Breit – Elastisch,
oder: Hart – Positiv – Frech.
Mich friert unüberbrückbar isoliert.
Frieren ist also wie, wie soll ich sagen
Isolation,
das wusste ich nunmehr
von diesem Tage an.
Ich zittere, brenne eine Kerze an, das macht man am Ende so,
dann öffnet sich ein Tor, was für ein Erlebnis, sie machen das auf natürlich,
und am Abend, was für ein schöner Abend, alle zusammen aus dem Konzert heraus,
kalt neblich,
viehisch wie das gut war.
Müde aber

von zu viel Fang-den-Hut,
Enttäuschung in blauer Farbe,
manchmal sogar so müde, dass ich tragisch versäume, zusehe
wie mein Eis schmilzt, und wegblicke.
Das muss ich überdenken, wie das geschieht,
das schleift sich ein, so geht es nicht weiter, so kann ich nicht mehr.
Ich will auch gar nicht mehr.
Die Katastrophe jetzt in der Stunde, in der wir unsere Umwelt büßen,
die Katastrophe bietet sich an, innen, so kann es nicht weitergehen.
O wie schmerzlich misse ich
die großen Gefühle:
Wo
ist das
Leben! bitte, bitte sehr!
Nicht der Rede wert. Waren bei mir nur Beziehungsödeme, lächerlich,
gar nicht der Rede wert, warum immer bei mir, o wie
lächerlich, leider, kein fulminant brisanter Ozonduft!

Hab ich irgend etwas vergessen? O boy.
Hab ich irgend etwas aus dem Programm gestohlen?
Ein paar Deutlichkeiten müssen gesagt werden:
Metamorphosenverantwortlichkeit! – ?
Mitverantwortungsinnerlichkeit, und:
Das muss jetzt ausreichend genügen, warum immer mehr sagen,
warum nicht
auch einmal wirklich deutlich, ohne Entrinnen, ganz ausweglos,
mein Leben,
ES HÄTTE ALLES ANDERS SEIN KÖNNEN, o boy
O BOY.
Tiln Rom sagte einmal:
Jeder kann sehen
was eine sinnfällige, virtuose Abstraktion erreicht.
Die Erkenntnis kam wie ein Blitz in mich.
Ich rief an.
Ich musste beim Volltanken zusehen, vollständig entkleidet,
wie die Häuserzeilen ein so schönes, geradliniges Bild ergaben.
Es gibt darauf natürlich nur eine vollständige Antwort.

Schwanengesang,
hermetischer Wind auf der Terrasse,
die Spatzen gurren auf dem Starkstromkabel,
es britzelt, wie es britzelt in der Freiheit,
die fußt auf dem Recht des Einen und Einzelnen –
das ist verankert.
Gemeinsam sind wir stark, das ist jetzt bewiesen wie
Klage männliche Klage klagend und einklagend
nach gelebtem Leben, das kann ich leider nicht sagen,
schade, es geht nicht, oboy, es geht nicht,
oboy oboyoboy OBOY o oboy.
Meine Füße werden kalt,
im Grunde friere ich nicht, aber es ist kalt geworden. Rita
und Cordelia gehen nach Hause, Paryla und Hans
schauen in verschiedene Richtungen,
ganz ehrlich, du hörst etwas anderes,
DIE STILLE, die hermetisch gedeutete Stille,
die Langsamkeit der Bilder: kinopoetisch.
Die Klage inmitten der Katastrophe,
der Untergang in den Wolken.
Das Unterfangen der Läuterung
verlangt eben doch Exzesse der Exegese, eben doch!

Hab ich irgend etwas vergessen?
Ich frage mich, ob das Schmieröl für 100 Kilometer genügend ist?
Luftschlangen und Girlanden sind die Straßenschienen,
bedauerlich, dass alles lahmgelegt, alles, der Verkehr,
einfach alles.

BLAFF! PARYLA!!!
Mein gesamtes Lebenswerk bricht jetzt entzwei, schade,
bedauerlich inmitten des Obertongesangs kippt ein Glas Grappa
in den Kaffee, Paryla
verlangt Bratensülze. Er greift also wieder mitten
ins schöne Leben mit Cordelia, die schöner ist
als ein roter Porsche vielleicht, etwas für die Autobahn,
wo’s herausspritzt mit einem Rausch!
Rita tut sich bestimmte Tropfen an die Schläfen, die aus einem
schottischen Quellwasser – hab ich vergessen, jetzt so was!
Hans ist in die Sternenpartitur versunken – wie war das?
Es wird nun deutlich, wie es Nacht wird,
ganz deutlich, mich friert ein wenig, nicht viel.
Paryla auf dem Nachhauseweg:
»Wie Millionen Flunder platt über- und hintereinander
»kommt das Meeresrauschen auf Santa Catarina,
»wenn du auf dem Felsen sitzt, wo ich gesessen mit Claire,
»und dann ist diese Flachbusige mit Tanga mit dem gewissen Blick
»an mir vorüber, hat mich mitten in die Gedärme gestreift,
»mit diesem fordernden Blick,
»seitdem ist das immer anwesend, selbst mit Cordelia,
»es geht nur mehr mit Caipirinha, weißt du,
»ich möchte nicht mehr es geht nicht mehr so kann ich nicht mehr,
»ich bin selbst apallisch vor meiner Designerlampe, aber
»es freut mich der Mechanismus, das Öffnen des Behas
»und der Belag vom Tennisschläger,
»nicht dass du denkst, du Kujon, wenn du jetzt denkst,
»wenn du jetzt stirbst, schon nächstes Wochenende ist alles vorbei,
»aus mit der Entschlüsselung,
»daran denk ich jetzt seit das mit Sofia.
O boy.

Februar 1990

Nächster Text

Honig u. Mein Lebenswerk|| @ Bernhard Karlstetter