Hypnosegerät → Das Hypnosegerät

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In einem Magazin las ich eine Anzeige mit dem Spruch: Wir helfen Ihnen dabei, sich in andere Wirklichkeiten zu versetzen! Ein neu erfundenes Gerät zur Selbsthypnose versprach diese Möglichkeit, absolut risikolos. Ich schrieb an die Firma, bat um weitere Information und wurde zu einem unverbindlichen Verkaufsgespräch eingeladen.

Zunächst bekam ich eine kurze Einführung in die Möglichkeiten und Gefahren der Hypnose, wie sie bisher angewandt worden ist. Vor Erfindung des Gerätes sei man der Leitung des Hypnotiseurs überlassen gewesen, auf seine Fähigkeiten, auf seine Vorstellungen und: auf seinen Willen. Man sei deshalb zu einer Spiegelung des Hypnotiseurs geworden. Weniger habe die Gefahr der Manipulation oder dauerhaften Beeinflussung durch den Hypnotiseur bestanden, nein, die große Täuschung bei der alten Methode liege in einer ungewollten Selbstbeschneidung, als Nebeneffekt sozusagen des Behandlungsverfahrens. Hypnose, sagte der Verkäufer, versetze den eigenen Willen in Schlaf. Das sei im Grunde Mord, zumindest seia es Selbsttäuschung. Gewöhnte ich mir beispielsweise das Rauchen durch Hypnose ab, so hätte ich zwar zu rauchen aufgehört, ich sei jedoch getäuscht, wenn ich glaubte, ich hätte meine Sucht überwunden. Im Gegenteil, ich sei süchtiger als zuvor, weil diese Art der Hypnosetherapie den Menschen in ein willensschwaches Geschöpf verwandle. Sie verleite einen dazu, seine Eigenverantwortlichkeit aufzugeben. »Sie übertragen sie auf den Hypnotiseur, oder, wenn Sie es allgemeiner ausgedrückt haben wollen«, sagte der Verkäufer, »sie bequemen sich zu der Anschauung, der Mensch sei eine funktionale Maschine, leicht zu verleiten, leicht zu verführen. Sie sind dann nicht mehr sie selbst, sondern je nach herrschender Anschauung von chemischen Prozessen abhängig oder esoterischen Strahlungen, von Heilsteinen oder lebenswichtigen Mineralien und Vitaminen. Sie begeben sich in die Abhängigkeit irgendeines Produzenten, Heilers oder Führers.«

»Ich habe so weit ausgeholt, um Ihnen zu verdeutlichen, worin sich unser Gerät von allen anderen unterscheidet: Sie selbst sind es mit dem Gerät, der die Fäden in der Hand behält. Sie wissen, was sie tun. Sie haben hier die Möglichkeit, mit vollem Bewusstsein sich selbst in Trance zu versetzen. Sie bleiben wach. Es ist etwa so, als würden sie in einem Traum erwachen und trotzdem weiterschlafen. Sie brauchen dabei nicht zu befürchten, dass sie auf plötzlich auftretende Gefahren nicht mehr reagieren, sie werden automatisch erwachen.«

Bis dahin war ich ihm gespannt gefolgt – also war ich bereit für eine Vorführung. Das folgende brachte alles zum Einstürzen, was sich bis dahin so aufregend errichtet hatte. Vielleicht hätte ich den Test alleine machen müssen, zu Hause. Kurz, es war vielleicht nur einen Scherz, als der Verkäufer sagte: »Wenn Sie jetzt erwachen, kann es durchaus sein, dass sie sich erinnern werden, unsere Rechnung nicht bezahlt zu haben.«

Es ist richtig, dass die Maschine das Bewusstsein nicht ausschaltet, ich erinnere alles gut. Ich war bereits so in meinen Gedanken, dass ich womöglich sofort und voreilig weiterspann, was er sagte, und ihm nicht mehr richtig zuhörte. Bei seinen Worten war in mir Misstrauen geweckt worden. Ich dachte: Er will, wenn ich erwache, solle ich mich an eine angeblich nicht bezahlte Rechnung erinnern und den Wunsch haben, sie zu bezahlen, obwohl ich nichts erhalten habe. Das Ganze ist Betrug!

Ich war mir bewusst, es war mein Misstrauen, mein eigenes Misstrauen, und der Mann sagte vielleicht: »Wenn Sie sich dann an die Rechnung erinnern, begreifen Sie, dass es sie nicht gibt, sondern dass das bereits etwas war, was die Maschine kann.«

Jetzt ist es so weit, dass ich nicht einmal mehr weiß, ob ich mir das Gerät gekauft habe, ja, manchmal denke ich mir, ich habe es mir gekauft, mich selbst hypnotisiert und mir den Wunsch eingegeben, nicht mehr zu erwachen. Das kann ich nicht mehr überprüfen. Es ist paradox, ich habe es oft überlegt. Seitdem ich von dem Hypnosegerät weiß, ist nichts mehr wie vorher. Es bezeichnet einen Einschnitt in meinem Leben. Andererseits, es kann sich nichts verändert haben, ich lebe ein alltägliches, gewöhnliches Leben wie bisher, mit denselben Fragen und Antworten. Sich verändern und bleiben wie ich bin, sind eins geworden.

Die Möglichkeit der Selbsthypnose ist bedeutungslos für mich: Was hat es für einen Sinn, mich in Hypnose zu versetzen, wenn die grundsätzliche Möglichkeit besteht, dass ich mein Leben unter Hypnose führe und es nicht merke. Ich lebe weiter wie bisher. Dennoch, das Hypnosegerät geht mir nicht mehr aus dem Sinn.

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Das Hypnosegerät || @ Bernhard Karlstetter