Ich wollte, da ich gerade in der Gegend war, mir mein neues kleines Zimmer ansehen, das ich demnächst beziehen sollte. Es war in einem Hochhaus, in dem fast ausschließlich Studenten leben. Der Bau erinnerte mich an meine eigene Studentenzeit, nur war dieser hier in einem älteren Stadtteil gelegen.
Ich stieg in den Lift ein. Er glänzte fabrikneu, zeigte keine Spuren der Abnutzung, wie sie gerade in Studentenwohnheimen, die keinen Hausmeister wie normale Wohnblocks haben, sehr schnell auftreten, Schmutz, Kratzspuren und Kritzeleien. Ich drückte auf den dritten Stock, die Türe schloss sich leise. Als sie sich wieder öffnete, stand der Boden eines Stockwerks auf halber Höhe in der Türöffnung. Wenn ich hier einziehe, muss sich einiges ändern, dachte ich. Für Studenten mag es ausreichen, die nehmen fehler leichter hin, denn sie wissen, eines Tages werden sie in ihrem eigenen Heim wohnen, dann können sie sich ihren gerechten Ansprüchen hingeben.
Ich drückte erneut auf den Knopf. Der Lift fuhr nach oben, die Türe öffnete sich bereits während der Fahrt. Ich fand mich auf dem Dachboden des Gebäudes wieder. Der Lift war aus dem Schacht herausgefahren und es drohte Gefahr, dass er umkippte. Ein dicklicher Mann in Maurerkleidung saß auf einem Hocker, die Füße um die Stuhlbeine gelegt, um sich Stapel von Magazinen. Er schien von Natur aus sehr träge zu sein, oder es interessierte ihn nichts mehr außerordentlich, jedenfalls sah er erst nach einer Weile von seinem Magazin auf. Verärgert rief ich ihm entgegen, er solle hier nicht stumpfsinnig herumsitzen, sondern zusehen, dass der Lift zurückfahre.
Er verstand meine Befürchtungen nicht, zeigte mit seinem Arm in meine Richtung, mit ausgestrecktem Zeigefinger. Ich deutete mir das so, dass ich noch einmal drücken sollte. Sein Gleichmut tat seine Wirkung auf mich, schließlich fuhren ja hunderte Studenten täglich mit diesem Lift. Wer hier wohnt, hat sich daran zu gewöhnen.
»Schauen Sie sich um«, sagte er nach einer Weile. »Ich verstehe nicht, warum keiner von euch Studenten einmal die Zeit findet, hier oben in Ruhe zu lesen. Es ist alles da. Stattdessen vergeudet ihr unten eure Zeit mit wertlosen Studien in euren engen Zimmerchen.«
Ich nahm eines der Hefte in die Hand. Darin waren silberne Blätter, die mir ein komisches Spiegelbild entgegenwarfen, wie ich es aus Jahrmarktsfilmen vergangener Zeiten kenne. Du bewegst dich ein wenig und die Veränderung im Spiegelbild nimmt übermäßig und unproportional zu, nie kommst du zum selben oder gar zum richtigen Bild zurück. Das Heft nahm ich mir mit nach unten.
Seither blättere ich darin herum, wenn mir die ganze Studiererei und die Studenten zu viel werden.
Der Lift brachte mich kein einziges Mal mehr unters Dach.
Lift || @ Bernhard Karlstetter