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Was ist dieses Concertino? Instrumentalmusik ist es nicht.

Ist es Bekenntnisliteratur? Zu was bekennt es sich?

Ist es ein nihilistisches, ein mystisches Buch? Das Buch eines Deprimierten – oder eines Begeisterten?

›Zu deinem Buch musst du ein Nachwort schreiben‹, sagte ich mir, als ich es korrigierte. Es fand sich keine Stimme in mir, die einheitlich sprechen wollte. Ich müsste es von außen betrachten, Abstand gewinnen – das machen die 30 Jahre, die seither vergangen sind ohnehin. Es ist gerade der Abstand, der mich an ein weiteres Nachwort denken ließ. Es ist eine merkwürdige Lektüre für mich, dieses dunkle, schimpfende Buch.

Es ist das Buch einer Reise. Die Reise war eine andere, als die, die ich mit Mika machte (die oft erwähnt wird, ohne jemals etwas zu sagen oder zu tun). Mika gibt es. Wir hielten es 365 Tage miteinander sehr gut und wohl aus, Tag und Nacht, liebend und stolz aufeinander – das dachte ich neulich, kann ich mir schwer vorstellen, wenn ich mir ein Bild dieses Ich-Reisenden mache.

Ich hatte daher den Gedanken zu erwähnen, der Reisende sei nicht ich, wollte mich distanzieren von so kräftigen Anschauungen – wozu: Ich mag sie; und so bin ich auch, oder war es, zu einem Teil; jedenfalls zu dem Teil, der an der Schreibmaschine saß; und der ist hier fixiert. Was würde sich ändern, wenn es nicht von mir wäre? Das Buch ist in Ich-Form geschrieben, das macht den Leser zum Ich. Ein Buch, das ich lese, bin ich wenigstens so lange, wie ich es lese.

»Ich schicke Starkstrom durch die Leitung«, lautet ein Satz, den ich gestrichen habe. Irgendwo könnte ich ihn wieder einfügen; nun steht er in einem der Nachworte. Ein weiterer: »Wie gut haben es Instrumentalmusiker!« Ein Seufzer.

Dem Concertino habe ich die erste Fassung, Bilder und Löcher, angefügt. Beide Teile überschneiden sich zum Teil und sind in manchen Seiten nahezu identisch. Bilder und Löcher ist einheitlicher, mehr Reisebeschreibung als das Concertino, das einer Mappe gleicht, in die eine Sammlung von einander ergänzenden Blättern gelegt worden ist; sie lassen sich auch anders mischen. Das erste Blatt allerdings sollte das erste bleiben.

Das vorletzte, Ich drückte die Erde an mich, wollte ich entfernen – ist dort von Hass die Rede? Oder von maßloser Trauer, die in Zorn umschlägt? Vom Gefesselt-Sein und an einem Haken hängen? … vom Urknall, auf den Schöpfung folgt? Vom Ausbruch
aus sich selbst? Es ist ein friedloses Bild, das ich nicht in mir haben will. Für den Leser eine Zumutung. Für mich auch.

Ein weiterer fragmentarischer Satz fügt sich in das Nachwort, der als Notiz irgendwo weit unten stand:

»Es hat mir die Augen geöffnet, sie waren verschwollen.«

Das bezieht sich nicht auf die letzte Erzählung. Ich weiß nicht mehr, auf was ich es bezog. So soll’s hier stehen. Als Fragezeichen.

1. Juli 2020

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