Geisterspazier → Sex-Verbrecherin auf Halligalli-Drecksau-Party

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Erinnerungen an ein nicht gelebtes Leben werden in mir beständig wach gehalten, wenn ich durch nlein-Medien brause. Vor einigen drei vier Tagen genügte mir das Wort auf Spieglein Onlein von einer angeblichen Sex-Verbrecherin. Sie wurde verhaftet, als sie mit ihrem neuen Manager ein Comeback startete – als Sex-Verbrecherin? – kein Link hier: Ich will der Fantasie, die der Wirklichkeit kaum nahe kommt, den kleinen Spielraum, den sie hat, nicht die grauen Flügel stutzen. Über eine Sex-Verbrecherin wird außer mir so manch andere Mann spekuliert haben; über eine angebliche Sex-Verbrecherin, was weit bemerkenswerter ist, komme ich nicht zu Rate

Diese Verbrecherin erweckte in mir die beinah schmerzliche Erinnerung, dass ich einmal einer Einladung zu einer Halligalli-Drecksau-Party nicht gefolgt war. Ich überquerte gerade gesetzeswidrig die Gleise als gesetzeswidrig die Gleise überquerende Jugendliche mir entgegenkamen und mich fragten, ob ich auf die Halligalli-Drecksau-Party mitkommen wolle. Ich überhörte das und ging still weiter, teils weil ich später erst die Worte rekonstruieren konnte und teils weil’s mir nicht freundlich genug erschien. »Hättest antworten können, Alter!«, wurde mir nachgerufen, ein Stein flog den Worten hinterher, verfehlte sein Ziel weit mehr als die Worte, und die hießen: Alter & Halligalli-Drecksau-Party. »Der mag das vielleicht nicht«, sagte ein Mädchen zum Steinewerfer. Die Party oder gar den Stein? Ich ging um die Ecke an einem Plakat vorbei, das an einen Baum gestellt war: 5 Frauen eine Flasche Sekt. Einige paar Meter daneben ein weiterer Werbungsträger, der mich zum Wet-T-Shirt-Contest einlud. Bedrückt, unfähig angemessen auf die Verlockungen der Welt zu reagieren, ging ich in meine Wohnung und legte die Tür ins Schloss.

Hätte ich Halligalli-Drecksau-Party sogleich richtig verstanden, akustisch, wäre ich der Einladung sofort und ohne Umschweife gefolgt. Bei späterem Nachfragen ergab sich jedoch, dass meine Fantasie mich, ich möchte es trotzdem feststellen: fälschlicherweise als Dirty Old Man vor mich selbst hinstellte. Werde ich als »Alter« tituliert und bin doch schon unter denen, die immer jung oder jugendlich bleiben, denke ich, beinahe mit Sehnsucht, an einen Dirty Old Man, weil ich merke, ich werde es nicht erreichen: Mit Immer-jung-Bleiben schaff ich’s nie, und außerdem bin ich dafür zu bürgerlich. Ein Dirty Old Man ist einer, wovor ich, (schmutz-)belesen wie ich bin, Respekt habe. Ich werde allenfalls zum Drecksack, und das ist nicht gut.

Selbst ein Dirty Old Man braucht sich nicht all zu viel vorstellen, wenn er das Wort Drecksau-Party vor sich hinmümmelt; das Wort erweckt zu große Erwartungen. Es scheint sich um ein großes Besäufnis zu handeln, wurde mir von einem mir bekannten Jugendlichen gesagt; vielleicht sagen Jugendliche nicht die ganze Wahrheit über ihre Partys [→POPP].

Ein ungelebtes Leben reicht niemals zum Dirty Old Man, Status, auch ein ausgelebtes wird nicht mit diesem Titel geadelt. Ausleben und gar nicht leben sind Kehrseiten rarer Medaillen, die man nicht in die Finger kriegt. Wer hat nur die falschen Fünfer in der Hand?

Am Ende stelle ich fest, ich habe nicht die Fantasie, mir unter einer Sex-Verbrecherin etwas Rechtes oder Unrechtes vorzustellen, dazu müsste ich Spiegel lesen. Meine Fantasie ist Verschlusssache.

P. S.: Für die Socken-Verschwörung habe ich eine einfache Lösung gefunden: Ich kaufe schwarze, im Zehnerpack.


→POPP Ich möchte an dieser Stelle, [nur in Klammern als Badezusatz quasi, beim Baden in der Wahrheit] zu den vielen Verschwörungstheorien, mit denen wir unsere Zeit vergeuden und unsere Denkfähigkeit in Misskredit bringen, eine hinzufügen: die Verschwörung aller Jugendlichen gegen die Erwachsenen. Es gibt auch eine Verschwörung aller Frauen gegen uns Männer, die mir in sehr guter Fernseh-Erinnerung ist: Umsorgende, Waschmaschinen betreuende Frauen lassen Socken verschwinden. Wie oft suchen wir Männer morgens vergeblich die zweite Socke! Woher ich weiß, dass es Frauen sind, die dahinter stecken? Ich hab’s bei Al Bundy gesehen (Folge 48). Und wo geht es mehr um ein nicht gelebtes Leben als bei Al Bundy – nur in unserem eigenen.

30. September 2009

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Sexverbrecherin auf Halligalli-Drecksau-Party || @ Bernhard Karlstetter