Wenn ich durch den Friedhof mit den vielen Kurznamen (4-Buchstaben-Namen) spaziliere, gehe ich an Sträuchern und Bäumen vorbei, an Blumengestecken und Jahreszahlen, die mich an meine eigene Unsterblichkeit erinnern. Ich habe gelernt: Jetzt ist immer. Das einzig Ewige. Das große Wahre.
Wie wird der Friedhof in tausend Jahren aussehen? Eingeebnet, überwuchert, von Bomben umgeackert? Wird das Post-Zeitalter (post-faktisch, post-fossil, post-digital, post-materiell, post-human, post-anthropozän, post-gender, post-demokratisch, post-bellizistisch, post-lateral, post-men- & post-mortal) ins Trans-Zeitalter verblichen sein? Wird es noch Zeitfensterzustellung geben? Worüber werden die Toten in ihrer Ruhe sinnieren?
Solche Gedanken sind es, die ich hege, pflege und ausreite, bevor ich am Flieder rieche. Und Farbe und Duft bin. Ungleich dem Käfer, der soeben mit mir hineintaucht. Er hat einen Lichkorridor vor sich, in den er krabbelt, tausend Mal intensiver.
Draußen begleitet ein anschmiegsamer Wind eine Frau im orange-pinken flatternden Kleid bis zur Ampel. Eine junge Schöne, ganz in Schwarz mit nackten Schultern und freiem Bauchnabel steht mir gegenüber und ist sich ihres Eindrucks ungewiss.
Das war vor einigen Tagen. Diese Ewigkeit ist vorbei und versunken in meinem All. Es ist das Post-Flieder-Zeitalter angebrochen. Holler blüht.
Am Wochenende werde ich Hollersekt trinken. Und an Duftrosen schnuppern.
Am Morgen denke ich darüber nach, was ›jung‹ für mich bedeutet. Junge Frau, junger Mann, jung sein, fühlen. »Eine junge Schöne …«