Erstes Kapitel aus »Der Einsame, der Melancholische, der fassunglos Entzückte«
Also davon kann man ausgehen. Gut und gerne. Und das mache ich jetzt. Bereits mit dem ersten Satz! Hinein ins Geschehen an einem Ort in einem der bekannten Multiversen mit Milliarden Jahren Geschichte. Eine Geschichte davon ist diese.
Es war einmal ein Tag, der wie ein Ei dem andern glich, und doch in die Eintönigkeit dieser Batterietage waren einige Nuancen eingefärbt, an denen der Betrachter seine helle Freude haben konnte. Davon kann gut und gerne ausgegangen werden hier am Bahnhof in diesem unseren Universum. Da war der Himmel ein freundliches, ein kleines Orgelkonzertchen mit allerhand erstaunlichen Registern. Die Wolken sprangen wie Raupen über den Himmel und 22, ausgeschrieben: zweiundzwanzig Gesichter zogen ihre Bahnen zwischen Lächeln, Trauer und anderen Achtsamkeitsempfindlichkeiten. Nymphen hatten ihre Spazierstöcke aufgewickelt und schritten ausgiebig über ihren blauen Park.
»Das ist schwerlich zu genießen«, sagten die mit den guten Anzügen und Manieren zueinander und verschwanden auf die andere Seite. Originale und Uniformierte bedauerten sich gegenseitig mit großen Händen, die sie sich durch die Bäume reichten wie eine Versammlung gut gelaunter Damen in der Chefinetage – und dazu gibt es heute allen Grund!
Zwei alte Menschen saßen auf einer Bank, sahen nach oben und waren gerührt von dem, was sie sahen. Ich werde sie übergehen und woanders meinen Blick hinwenden – nicht jeder ist so interessant wie die Persönlichkeit, um die es hier vornehmlich geht!
Auf einer anderen Bank saßen zwei Menschen, zwei junge … nun, das ist doch etwas anderes! Damit kann man beginnen. Sie stehen am Anfang ihres großartigen Lebens, nicht an dessen bitterem Ende. Diese Geschichte soll nicht mit dem düsteren Ausblick auf eine Ende anfangen. Ich brauche bunte Farben für mein Gemälde, keine graue Entsagung auf fahler, blutleerer Papierhaut.
»Ja«, sagte eine der jungen Menschinnen und zog ein wenig an einer Zigarette, kümmerte sich dabei nicht weiter um die moralische Implikation & Gefährlichkeit solchen Tuns und Handelns. Sorgloses und verantwortungsloses Jugend-Alter!
»Und die Wolken, sehen sie nicht gerade aus wie gekochte Pilze in einer brodelnden Soße?«, sagte die andere Menschin aus mancherlei Gründen, die zu erklären ich sehr tief hinabsteigen müsste in psychische Küchenrezepturen.
»Wie Achate und Omane in einer makellosen Wüste«, sagte die eine andere, denn sie konnte nicht einfach nur stumm dasitzen und zuschauen oder gar schweigen, und hob ihre Wasserflasche, gefüllt mit dem Besten, Frischesten vom Wasser, das es gab: Wasser, so klar wie echtes Quellwasser. Sie nahm den Ring aus ihrem Ohr und polierte ihn an ihrem tropisch-bunt gefärbten Hemdsaum. »Was für ein solides, sensibles Brillengesicht einen da ansieht mit kleinen Augen in wahrlich unaufdringlicher Intelligenz«, sagte die andere Eine kraftvoll harmonisch ihre Worte mit einer Geste in den Himmel, die ihresgleichen sucht in der begütigenden Art und Weise ihres Ausdruckes. »Schau dorthin, da kommt ein Zug herein.«
Da kam jetzt ein Zug hereingelaufen in den kleinen Bahnhof, sackartig in die schwüle Saunahitze eines Nachmittags in den kleinstädtischen Subtropen weit oberhalb der Rossbreiten in einem Land auf diesem blauen Luftballon, der unsere Erde ist.
Die jungen Menschinnen verabschiedeten sich vom Geschehen und aus dieser Geschichte und sagten: »Komm, schieben wir ab!« und: »Prügeln wir woanders noch eine rein!« Sagten sie das wirklich? Sie stellten jedenfalls ihre kleinen Dosen und Fläschchen auf den Boden unter die Bank. Irgendjemand wird sie schon aufräumen. Der Zug setzte sich auf den Gleisen zur Ruhe nieder und entließ in seiner tauben, kraftvollen Erschöpfung ein langes Quietschen in die Hitze, die ungewöhnlich war hier irgendwo inmitten einer Welt. Die Türen des Zuges öffneten sich und heraus kam ein Mann dort vorne.
Und da steht ER,
der Einsame,
der Melancholische,
der fassungslos Entzückte.
… Da steht er … || @ Bernhard Karlstetter