Tiln Rom → Vorwort vom Ghostwriter

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»Du willst diesem Buch kein Nachwort und kein Vorwort anfügen, keine erklärenden, den Leser in die Materie einführenden Worte schreiben, nichts über sein verwickeltes Entstehen?, obwohl du das bei all deinen anderen Büchern gemacht hast? Keine Anmerkung, kein Wieso, Warum, Wozu und Für Wen? Sind wir es dir nicht wert?«, fragten mich Bingo, Töm Töff, Zilikndasch und Bömmel Banz in den sehr frühen Morgenstunden, in denen ich empfänglich bin für Botschaften aus anderweitigen Sphären.

»Wir haben dir mit Teilen unserer Biografie ausgeholfen, die du dir zurecht verbogen hast, wie es dir gefällt. Wir hätten gerne ein Nachwort von dir gehabt, eine Entschuldigung, mindestens. Du hättest uns selbst das Wort geben können, oder uns Raum für eine Gegendarstellung anbieten sollen, damit man uns etwas objektiver beurteilen kann. Wir sind anders, als du uns geschildert hast.«

Ich kann das aber nicht gewähren. So viel Freiheit kann ich nicht gewähren. Ich bin der Zensor in diesem Buch. Meinungsfreiheit werde ich hier nicht allzu groß schreiben.

Geleitwort, einführende Worte, braucht ihr nicht, Bingo, Töm Töff, Zilikndasch und Bömmel Banz. Weil ihr wie wir seid: ganz gewöhnliche Leute von der Stange … uns braucht man uns nicht zu erklären, wir kennen uns sehr gut.

Die Lebensfontäne hat Töm Töff selbst geschrieben, das heißt gesprochen; er ist ein Mann, womöglich vielleicht sogar deer Mann des gesprochenen Wortes (– der geflüsterten Töne eher nicht).

Auch Bingo wurde nicht auf meiner Schreibmaschine getippt. Die Worte seiner Briefe entsprangen ihm selbst. Er ist für deren Überschwang eigenpersönlich verantwortlich. Wo ist er aber jetzt, wo ich ihn bräuchte, um das Ganze etwas abzufedern für die heutigen Leser, die Hurra-Reden nicht mehr ertragen können? Er dagegen möchte von mir ein paar elegante Worte zur Einleitung geschrieben sehen!

Der Einsame, der Melancholische, der fassungslos Entzückte – darüber könnte ich schon etwas schreiben, denn es sind meine Worte, die man dort lesen kann.

Die Wahrheit, die ganze Wahrheit, die wirkliche Wahrheit ist: Das Buch hat allzu viele verschwommene Worte, da kann auch ein Vorwort nichts mehr verwässsern.

*

Bingo hat mir geantwortet und mich gebeten, es ohne eigenmächtige Korrektur, drucken zu lassen:

In Bingo spricht ein rundum verliebter, vielleicht nicht mehr ganz so junger Mann: Ich war sehr verliebt, das spielt eine Rolle. Wo spielt die Liebe keine Rolle? Sie ist allgegenwärtig; so soll sie sein!

Nach allerneuesten Forschungen dauert die Verlibtenfase etwa 18 Monate, oder 30 Jahre? Hat keine Bedeutung, sie kann verlängert werden, wenn sie auf Papier steht und in Bytes gegossen ist. Wie lange hält die Liebe? Ein Leben, wenn man sich erinnern kann; aber noch länger, wenn man seine Erinnerungen auf eine M-Disk brät und in seinem Survival-Bunker bunkert.

So weit Bingo.

*

Die historischen Ereignisse, die dieses Buch begleiteten, machen
das Buch zu keinem Zeitzeugnis. Sie sind vergangen und vergessen.

Eine große Frage ist die Frage des Stiles: Ist das Deutsch, was hier geschrieben steht, oder ist es undeutsch?

Eine weitere Frage stellte mir die Frau am Fenster des Hotels gegenüber. In der linken Hand hielt sie ein frisches Salatblatt, in der rechten ein welkes. Dann reichte ihr jemand aus dem Dunkel hinter ihr einen Fotoapparat, dessen Objektiv sie auf die Straße hielt. Ob sie Fotos gemacht hat von mir und den Autos und den Aerosolen zwischen uns?

Montag, 4. Julei 2020

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Vorwort vom Ghostwriter || @ Bernhard Karlstetter