Den Welt-Poesie-Tag will ich nicht versäumen ohne Poesie getextet zu haben. Dabei ist gerade die Aussicht an so einem Tag wirklich (als Poet) anerkannt zu werden gering; ich kämpfe gegen Poetomaten, die ihre Sache beinah so gut machen wie metafüßische Regentonnen-Lyriker.
Aufmerksam gemacht auf den schönen sonnenreichen Welt-Tag hat mich ein Gedicht des Nachrichtenportals Heise-online über sich selbst, geschrieben von digitalen Assistenten und Bots mit künstlicher Intelligenz:
Ein Abschied dem Depp
Die Geliebte streichle.
Sie streichle und sie buddle!
Ach Heise, gehasstes Wesen du,
Wozu die Welten jetzt ernähren?
Die Narrenzeit vergeht,
Es streicheln die allmählichen Elektronenhirn,
Und ewiger Unfug vergiftet die Seelen!
Das kann in meinem Buch der Denkpausen als guter Beitrag bestehen.
Vergangene Welt-Tage sind mir nicht als solche bewusst geworden. Es ist der poetische Zeitgeist der letzten Wochen, der Nachrichten aufmischt und mich wieder aus dem Fenster sehen lässt, hinaus in Vorgärten und auf beschneite Ziegeldächer.
Vergangen ist der Welt-Nichts-Tag, 16. Januar, ein bedeutungsvoller Tag für mich. Ich hätte einige Seite Nichtiges zum Thema beitragen können. Ich mach es nächstes Jahr. Bis dahin hoffe ich (nicht umsonst gewiss), nichts gemacht zu haben.
Vergangen der Welttag der Jogginghose, 21. Januar (kein Wort zur Jogginghose); der Tag der Schwertschlucker, der zugleich Tag der Tiefkühlkost ist (23. Januar) – vielleicht ist Tiefkühlkost das Essen der Schwertschlucker? Keine Zusammenfügung ist bedeutungslos, irgendwas muss und wird alles bedeuten, nur das Nichts …
Auf den 7. März, der Weltgebetstag der Frauen (für was wird gebetet?) folgte der, den ich mit schlechtem Gewissen übergangen habe: der Internationale Tag der Frau. Ich habe keine Blumen verschenkt. Der Internationale Tag der Frau schien mir eher weltpolitischen Charakter zu haben, hier sollte ich gerade nicht mit Blumen auffahren und unnötigerweise in der: Hash-Tag (Tag des Häsch-Tags?) #metoo-Debatte auf mich aufmerksam machen. Ich verrenne mich in unhaltbare Positionen und müsste meinem moralischen Selbstverständnis gehorchend, mich zuerst downsizen und anschließend aus allen meinen Filmen und Fotos herausschneiden, bevor die Frauen meines Lebens das erledigen.
Die charmante Begleitung zum Internationalen Frauentag wird am 2. Juni begangen: Internationaler Hurentag. Ein Jour fixe für Firmen, die ihren männl. Angestellten einen Wellness-Ausflug gönnen – vormerken: an dem Tag womöglich Alles-was-Du-willst einschließender Service für nur einen einzigen Euro. Von der Steuer absetzen bringt nicht noch mehr Gewinn.
Am 1. September, Internationaler Tag des Bartes, werde ich mein wahres Gesicht zeigen.
Der 5. September wird kein Welt-Tag, er ist ein deutscher Geschichtstag: Deutscher Kopfschmerz-Tag heißt er.
Bis dahin wird der deutsche Bürger aufgeklärt worden sein, was wirklich zu Deutschland gehört. Was nicht, ist leichter herauszufinden. Horst Seehofer, neuester Heimat-Innenminister, der die wichtige Debatte dort erneut aufgegriffen hat (und von mal zu mal wieder aufgreifen wird), wo sie immerzu stehen bleibt (Sie werden fragen wo?) – Seehofer gehört, das ist meine Meinung, nicht zu Deutschland, er gehört zu uns, den echten Bayern, auch wenn er nach Berlin »wechselt«, oder sich nur umzieht: Er ist und bleibt ein Bayer, ein »Mia-san-Mia-Mensch« mit hochdeutsch-gefärbtem bairischem Ein-Viertel-Dialekt. Ich bin stolz auf ihn, er bringt uns Bayern wieder ins Gerede. Das kann nur gut sein, denn wir brauchen ein festes Reiterstandbild von uns allen, nicht in Marmor gehauen, sondern in Weißwurst formvollendet, mit süßem Senf dazu.
Der 14. Oktober, Welttag des Standards (ISO) wird ein Festtag: Was gehört zur Welt? Was ist Standard, also normal, und was … wichtiger: Wer ist nicht normal? Der Universum-Tag des Algorithmus klärt uns die Standard-Frage aller Versicherungen, Marktforscher und Psychologen auf, eines Tages.
Gehört Poesie zu Deutschland? Natürlich. Wir haben Heine, Goethe, Walser, Weiler und Walther von der Vogelweide.
Gehört Geschichte zu Deutschland? … Nicht wieder, ich kann’s nicht mehr hören … Und weil sie selbstverständlich nicht dazu gehört, wie … Shintoismus und Seegurkengerichte (ich musste nicht lange überlegen, so wie’s die Frage verlangt) … erinnere ich an den 10. Mai, der Tag gegen de Schlaganfalls und den 27. Mai, der Tag des Purzelbaums. Der Purzelbaum war mal mein Lieblingsbaum. Ich konnte ihn fünfzig Meter durch den Garten rollen und danach in die Sonne starren, bis alles orange war und Lichtpunkte hatte.
Am 11. November, mitten in der tristen Vorweihnachtszeit, feiert die Welt den Gegenteil-Tag. Das Kulturleitgedankengut – dieses Tag (tägg) hat alle Foren des Internets erobert. Wahr ist stets das Gegenteil.
21. März 2018
Hash-Tag Welt-Poesie-Tag || @ Bernhard Karlstetter