oder Falsche Aussagen zur Person
Vor vielen vielen Jahren fiel mein Geburtstag auf Karfreitag. Das blieb lange zusammengehörig. Religionsunterricht und Altarbilder prägten mir ein Bild von Karfreitag, das vor allem ein Landschaftspanorama war. Irgendwo war ein Mensch, klein, unten im Vordergrund und darüber ein gewaltiges Lichtschauspiel mit schwarzen Wolken über einem heißen Land, Hell und Dunkel ziehen über braune Hügel.
Einen Rückschluss auf ein innerstes Selbstbildnis habe ich früh gezogen, er ist die Treibkraft hinter meinen Spaziergängen.
An meinem letzten Geburtstag besprach ich mit einem Geburtstagsweggefährten was der besondere Tag heuer mit sich brachte, über Telefonate und Glückwünsche hinaus. Sonnenschein. Zum Frühstück genoss ich Licht und Schatten beim Blick durch die Fenster und die Zimmerwände entlang, und sah eine Brieftaube als Vorzeichen für eine künftige Botschaft. Sie ruhte sich einen ganzen Tag an meinem Fenster aus.
Wir Geburtstagskinder bestätigten uns, dass wir uns nicht so alt fühlten, wie wir seit einigen Jahren schon sind. Zahlen, nichts als Zahlen. Ab einer gewissen Höhe trifft einen ein Jubiläum mehr als andere, 50, 60, 75. Ich bin dabei in Wechseljahre zu schlingern, denn mir fällt auf, dass sich in vielem meine Anschauungen gewandelt haben. Das könnte ein Zeichen von Jugend sein oder Alters-Frühling. Ich kenne keinen der Noch-Älteren, dem am Jungsein besonders viel liegt: Die sind so jung wie sie sich fühlen, sagen sie; sie haben wenig Zeit und viel zu tun, sind gesund und: sorgenfrei.
Auf mich passt weder das eine noch das andere. Wünsche für Gesundheit treffen mich im Kern: Ich nehme die Wunschfloskel als positive Suggestion in mein Repertoire fürs Unbewusstsein auf. Ich lasse das Wort in den unterirdischen See aus grauer zäher Masse tropfen, sie sickert hell und klar aus dem Gestein heraus und sinkt tonlos und ohne Wellen ins Ganze ein.
Rar sind die, die mich mit einer Prophezeiung an meine schönste schwarze Seite erinnern: »Behalt Dir Deinen Humor!« Auf mögliche Anwendungsgebiete übertragen, könnte der mir helfen, unkomische Schicksalsschläge abzumildern. Ich arbeite schwer an meinem Humor, er lastet auf mir, oder: Ich hänge an seinem Galgen. Ich bin kein Komiker. Das Komikerdasein war mein Kindertraum, den ich zu bald fallen ließ. Ich hörte, damit seien Tränen verbunden.
Humor, das eine, Gesundheit, das andere. Manche, die nicht wissen, dass mich ein edler Morbus zur Begleitung erwählt hat, sagen nach der Telefon-Plauderei abschließend »Bleib gesund!«. Ich bleibe der ich war, ich werde der ich bin.
Das ist das Schicksal der Sensiblen – ihre Haut wird blass, ihr Leben dürftig und ihre Empfindsamkeit steigert sich je mehr das Leben abnimmt.
Wer ist der Sensible? Der das Frühstücks-Ei zerschlägt oder der es köpft?
21. November 2014
Der Philosoph im Käfig || @ Bernhard Karlstetter